Gewährleistungseinbehalt in der Bauwirtschaft: Uneinbringlichkeit auf Zeit (vorerst) weiter akzeptiert

Nach § 13 Abs. 1 Nr. 1a Umsatzsteuergesetz (UStG) entsteht die Umsatzsteuer für erbrachte Leistungen bereits im Zeitpunkt der Leistungsausführung (Sollbesteuerung). Der Unternehmer muss die Umsatzsteuer also bereits mit der Leistungserbringung abführen, auch wenn ihm das Entgelt erst später zufließt. Infolge der neueren Rechtsprechung war zuletzt fraglich, ob die Uneinbringlichkeit auf Zeit, die zu einer Steuerberichtigung berechtigt, hinsichtlich des Gewährleistungseinbehalts in der Bauwirtschaft erhalten bleibt. Doch hier kann zumindest vorerst Entwarnung gegeben werden.

Das (vorläufige) verwaltungsseitige Festhalten an der bisherigen Weisung ergibt sich aus einer Randnotiz: Denn das Bundesfinanzministerium hat das bisherige „Merkblatt zur Umsatzbesteuerung in der Bauwirtschaft (USt M 2)“ neu aufgelegt – und dort findet sich im letzten Absatz des Gliederungspunkts IV. folgender (neu ins Merkblatt eingefügte) Hinweis: 

Merkblatt zur Umsatzbesteuerung in der Bauwirtschaft (unter Punkt IV.)  
Vertragliche Einbehalte zur Absicherung von Gewährleistungsansprüchen der Leistungsempfänger (z. B. Sicherungseinbehalte für Baumängel) berechtigen zur Steuerberichtigung, soweit dem Unternehmer nachweislich die Absicherung dieser Gewährleistungsansprüche durch Gestellung von Bankbürgschaften im Einzelfall nicht möglich war und er dadurch das Entgelt insoweit für einen Zeitraum von über zwei bis fünf Jahren noch nicht vereinnahmen kann (vgl. A 17.1. Abs. 5 S. 3 Umsatzsteuer-Anwendungserlass (UStAE)).

Neue Rechtsprechung

Der Bundesfinanzhof wollte die Uneinbringlichkeit auf Zeit eigentlich ausweiten. Insofern fragte er beim Europäischen Gerichtshof an, ob bei einer vom Leistenden erbrachten Grundstücksvermittlungsleistung angesichts der dort über fünf Jahre ratierlich mit jährlich 1/5 zu zahlenden Vergütung gleichfalls eine Uneinbringlichkeit auf Zeit und damit eine über fünf Jahre verteilte ratierliche Besteuerung angezeigt sei.

Der Vorstellung des Bundesfinanzhofs von einer ratierlichen Besteuerung bei Ratenzahlung erteilte der Europäische Gerichtshof jedoch eine deutliche Absage. Denn das Mehrwertsteuerrecht ist EU-weit auf dem Grundsatz der Sollbesteuerung aufgebaut, sodass für eine Systemumstellung die MwStSystRL geändert werden muss. 

Beachten Sie | Auch Art. 64 MwStSystRL (ratierliche Besteuerung bei Teilleistungen) hilft hier nicht weiter. Denn diese Vorschrift betrifft nur sukzessiv in Teilschritten erbrachte Leistungen, nicht jedoch punktuell erbrachte Einmalleistungen, die ratierlich bezahlt werden. 

In seiner Nachfolge-Entscheidung begnügte sich der Bundesfinanzhof mit der Wiedergabe der These des Europäischen Gerichtshofs und merkte in einer Nebenbemerkung an, dass es vorliegend (noch) keiner Entscheidung bedarf, welche Folgen sich daraus für Sicherungseinbehalte bei Bau-Gewährleistungsansprüchen und der insofern bislang angenommenen Uneinbringlichkeit auf Zeit ergeben. 

Quelle | BMF-Schreiben vom 27.1.2023, Az. III C 2 - S 7270/20/10002 :001: Merkblatt zur Umsatzbesteuerung in der Bauwirtschaft (USt M 2), letzter Absatz des Gliederungspunkts IV., abrufbar unter: iww.de/s7879; EuGH-Urteil vom 28.10.2021, Rs. C-324/20; BFH-Urteil vom 1.2.2022, Az. V R 37/21